Chiptuning – was man wissen muss

von Kowalski | am 8 Okt 2015

Die Manipulation von Leistungswerten im Zeitalter der computergestützten Motorsteuerung ist heute einfacher den je. Nicht alles was Programmierer in langen Nächten vor dem Rechner in die Motorsteuerung von modernen Automobilen blasen, befriedigt allerdings den Gesetzgeber. Wer von uns Mustang-Enthusiasten der Meinung ist von mehr oder weniger bekannten Softwaretunern imaginäre Leistungslöcher eliminieren lassen zu müssen, sollte folgende Hinweise genau lesen.

1. Erlischt die Betriebserlaubnis durch Chip-Tuning?

Maßgeblich für die Frage, ob die Betriebserlaubnis eines Fahrzeugs wegen einer Chip-Tuningmaßnahme erlischt, ist die Rechtslage nach § 19 Absatz 2, Satz 2 StVZO. Nach der dortigen Nr. 2 erlischt die Betriebserlaubnis, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist.

Eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern wird in der Rechtsprechung angenommen, wenn durch die nachträgliche Veränderung mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen wird. Eine solche Gefährdung kann als Folge einer Chip-Tuningmaßnahme nur unter besonderen Umständen angenommen werden, z.B. wenn eine extreme Leistungssteigerung des Motors um 50% oder mehr herbeigeführt wird, ohne dass eine entsprechende Anpassung der Bremsen, Reifen oder anderer Fahrzeugteile erfolgt. Bei Chip-Tuningmaßnahmen mit moderater Leistungssteigerung um ca. 10 %, kann eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern i.S.d. § 19 Absatz 2, Satz 2 Nr. 2 StVZO in der Regel nicht (ohne weiteres) angenommen werden.

Die Betriebserlaubnis kann in Folge einer Chip-Tuningmaßnahme nach § 19 Absatz 2, Satz 2 Nr. 3 StVZO erlöschen, wenn durch die Änderung das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Die Leistungssteigerung kann beim Chip-Tuning im wesentlichen nur durch eine erhöhte Kraftstoffzufuhr und Kraftstoffverbrennung im Motor oder durch eine auf Grund der Tuningmaßnahme mögliche, höhere Drehzahl des Motors erreicht werden. Als Folge der Änderung liegt daher regelmäßig eine Verschlechterung des Abgas- oder Geräuschverhaltens i.S.d. § 19 Absatz 2, Satz 2 Nr. 2 StVZO vor mit der weiteren Folge, dass die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs erlischt.

Allerdings kann für entsprechende Tuning-Chips ein Teilegutachten i.S.d. § 19 Absatz 3 Nr. 4 StVZO i.V.m. Anlage XIX zur StVZO eingeholt werden, wodurch die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug nicht erlischt, wenn der im Gutachten angegebene Verwendungszweck eingehalten wird und unverzüglich eine Abnahme des Ein- oder Anbaus gem. § 19 Absatz 3 Nr. 4 lit. c) StVZO erfolgt. Gemäß § 19 Absatz 4 Nr. 2 StVZO ist das Teilegutachten mit der Bestätigung des ordnungsgemäßen Ein- oder Anbaus mitzuführen und zuständigen Personen auf Verlangen auszuhändigen. Sofern diese rechtlichen Rahmenbedingungen beachtet werden, ist die Chip-Tuningmaßnahme in Gestalt des ordnungsgemäßen Eingriffs unter zulassungsrechtlichen Gesichtspunkten unproblematisch.

2. Besteht eine Meldepflicht bei der Zulassungsstelle?

Zulassungsrechtliche Meldepflichten von Fahrzeugeigentümern und Fahrzeughaltern regelt § 27 StVZO. Änderungen der Motorenleistung, auch wenn diese auf Grund einer Chip-Tuningmaßnahme eintreten, sind nach § 27 Absatz 1a Nr. 1 i.V.m. § 27 Absatz 1, Satz 3 StVZO durch den Eigentümer des Fahrzeugs oder, sofern dieser nicht zugleich Halter ist, auch durch den Halter, unverzüglich der Zulassungsstelle zu melden. Kommt der Verantwortliche der entsprechenden Verpflichtung nicht nach, so kann die Zulassungsbehörde gem. § 27 Absatz 1, Satz 5 StVZO den Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr untersagen. In der Praxis werden Chip-Tuningmaßnahmen im Rahmen der Hauptuntersuchung gemäß § 29 StVZO in aller Regel nicht entdeckt und somit auch nicht beanstandet, weil sie optisch kaum wahrnehmbar sind und darüber hinaus nur mit erheblichem, technischen Aufwand nachgewiesen werden können. Dies gilt auch für Bastler-Eingriffe wie im Beispielsfall. Auch im Rahmen der Abgasuntersuchung nach § 47a StVZO ergeben sich in der Praxis allenfalls im Extremfall Anhaltspunkte für eine durchgeführte Chip-Tuningmaßnahme.

3. Mit welchen Bußgelder/Strafen muss man rechnen?

Im Falle einer Chip-Tuningmaßnahme, die zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führt, entfällt auch die Zulassung des Fahrzeugs, weil die Betriebserlaubnis gem. § 18 Absatz 1 StVZO ein notwendiger Bestandteil der Zulassung ist.

Ordnungswidrig handelt, wer ein Kfz entgegen § 18 Absatz 1 StVZO ohne die erforderliche Zulassung auf öffentlichen Straßen in Betrieb setzt. Der Verwarnungs- und Bußgeldkatalog sieht für eine entsprechende Zuwiderhandlung ein Regelbußgeld in Höhe von 50 € vor und nach der Anlage 13 zu § 40 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) werden drei Punkte in das Verkehrszentralregister eingetragen. Bei wiederholten Zuwiderhandlungen kommt ein Fahrverbot gemäß § 25 StVG in Betracht.

Ordnungswidrig nach § 24 StVG handelt auch, wer entgegen § 19 Absatz 4 Nr. 2 StVZO nach erfolgter Änderung, etwa durch Einbau eines getunten Chip aus einem Tuning-Bausatz, das vorhandene Teilegutachten für den getunten Chip nicht mitführt oder aushändigt. Hierfür ist im Verwarnungs- und Bußgeldkatalog ein Verwarnungsgeld von 10 € vorgesehen.

4. Welche Auswirkungen hat das Tuning auf das Versicherungsverhältnis?

Durch eine Chip-Tuningmaßnahme wird eine Leistungssteigerung des Motors herbeigeführt. Die Leistungssteigerung verändert die für die Zuordnung der Wagnisse im Versicherungsverhältnis. Es kann somit durch eine Chip-Tuningmaßnahme zu einer Gefahrerhöhung im Versicherungsverhältnis kommen, die nach Maßgabe der §§ 23 ff. Versicherungsvertragsgesetz (VVG) unterschiedliche Rechtsfolgen hat. Für die Frage, welche Auswirkungen eine Chip-Tuningmaßnahme für das Versicherungsverhältnis haben kann, ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Beim ordnungsgemäßen Eingriff treten keine versicherungsrechtlichen Probleme auf, sofern der Versicherungsnehmer die veränderten Umstände dem Versicherer anzeigt und es zu einer entsprechenden Anpassung des Versicherungsverhältnisses kommt.

Eine Gefahrerhöhung und damit ein Kündigungsrecht des Versicherers liegt nur vor, wenn der Versicherungsnehmer von dem mangelhaften Zustand eines nicht verkehrssicheren Fahrzeugs Kenntnis hat, wobei es der Kenntnis gleichzustellen ist, wenn sich der Versicherungsnehmer der Kenntnis arglistig entzieht. Für ein Kündigungsrecht des Versicherers gemäß §§ 25 Absatz 1 i.V.m. 23 Absatz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist es schließlich erforderlich, dass die Gefahrerhöhung die Ursache für den Eintritt des Versicherungsfalls war. Dies ergibt sich aus § 25 Absatz 3 VVG, wonach die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung bestehen bleibt, wenn die Erhöhung der Gefahr keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat. Nach der Formulierung des § 25 Absatz 3 VVG hat der Versicherungsnehmer diejenigen Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich der nicht vorhandene Einfluß der Gefahrerhöhung für den Eintritt des Versicherungsfalls und somit das Fortbestehen der Leistungspflicht des Versicherers ergeben soll. In der Praxis der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung wird allenfalls in Schadensfällen mit außergewöhnlich hohem Regulierungsaufwand überhaupt untersucht, ob auf Grund einer Chip-Tuningmaßnahme eine Gefahrerhöhung erfolgte.

In der Regel stellt die im laufenden Versicherungsverhältnis vorgenommene Chip-Tuningmaßnahme in Gestalt des Bastler-Eingriffs mit anschließender Benutzung des Kfz eine Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 Absatz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) dar, die den Versicherer nach § 24 Absatz 1 VVG zur fristlosen Kündigung des Versicherungsverhältnisses berechtigt, und die gemäß § 25 Absatz 1 VVG zur Leistungsfreiheit des Versicherers führt, sofern sie für den Eintritt des Versicherungsfalls ursächlich war. Nach den verwendeten AKB ist die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Gefahrerhöhung regelmäßig auf höchstens 5.000 € beschränkt.

Die Ausführungen für den im laufenden Versicherungsverhältnis vorgenommenen Bastler-Eingriff gelten im Ergebnis entsprechend für Fälle, in denen bereits vor Beginn des Versicherungsverhältnisses die Chip-Tuningmaßnahme durchgeführt wurde. Zwar tritt nach § 25 Absatz 1 VVG die Leistungsfreiheit des Versicherers (nur) ein, wenn der Versicherungsfall „nach der Erhöhung der Gefahr“ eintritt. Für eine Gefahrerhöhung, die zwischen Stellung und Annahme des Versicherungsantrags eintritt und dem Versicherer bei der Annahme des Antrags nicht bekannt war, bestimmt jedoch § 29 a VVG, dass die §§ 23 bis 29 VVG Anwendung finden. In der Rechtsprechung wird zudem die Gefahrerhöhung in entsprechenden Fällen nicht in der Maßnahme gesehen, die zur Verkehrsunsicherheit des Fahrzeugs führt, sondern in der über eine einmalige Gefährdungshandlung hinaus gehenden Benutzung des Fahrzeugs in verkehrsunsicherem Zustand, unabhängig davon, seit wann der nicht vorschriftsmäßige, verkehrsuntaugliche Zustand des Fahrzeugs besteht. Dies hat zur Folge, dass eine Gefahrerhöhung auch in Fällen vorliegt, in denen eine Veränderung durch Chip-Tuning bereits vor dem Abschluß des Versicherungsvertrags vorgenommen wurde, sofern die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind.

5. Erlischt die Gewährleistung des Herstellers beim Chip-Tuning von Neuwagen?

Die deutschen Automobilhersteller stehen dem Chip-Tuning ablehnend gegenüber. Nach Auffassung der Automobilhersteller sind deren Fahrzeuge im Originalzustand in Hinsicht auf das Zusammenwirken der einzelnen Fahrzeugteile optimal abgestimmt. Diese harmonische Abstimmung werde durch etwaige Eingriffe in das elektronische Motormanagement aus dem Gleichgewicht gebracht. In den Neuwagenverkaufsbedingungen der deutschen Automobilhersteller befinden sich Regelungen, die einen Fortfall der vom Verkäufer zu leistenden Gewährleistung vorsehen, wenn ein Fehler oder Schaden dadurch entstanden ist, dass „in den Kaufgegenstand Teile eingebaut worden sind, deren Verwendung der Hersteller nicht genehmigt hat, oder der Kaufgegenstand in einer vom Hersteller nicht genehmigten Weise verändert worden ist“. Die Durchführung einer Chip-Tuningmaßnahme wird als eine nicht genehmigte Veränderung des Fahrzeugs angesehen. Die Vornahme einer Chip-Tuningmaßnahme hat also zur Folge, dass die vom Verkäufer eines Neufahrzeugs übernommene Gewährleistungspflicht entfällt. Ein Verstoß gegen das AGB-Gesetz, insbesondere gegen § 11 Nr. 10 (Gewährleistung) AGBG oder gegen die Generalklausel des § 9 AGBG, ist insoweit nicht ersichtlich.

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Themen: Allgemein, Tuning

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