Wie Darth „Vadder“ zu uns kam…ein individueller Rückblick

von Kowalski | am 6 Jun 2016

Text by Elmar Rudolf.

Ein neuer Wagen musste her. Das „racerote Feuerwehrauto“ musste uns leider vertragsgemäß verlassen. Das Feuerwehrauto war ein 2013er Ford Focus Turnier Titanium 1,6D 115PS/270Nm in Race Rot, welches damals gerade neu für alle Modelle zur Verfügung stand und nicht nur für den ST (und Coca Cola wie böse Zungen behaupten). Ein schöner Wagen und ein Hingucker. Und ein sehr zuverlässiger und perfekter Begleiter für den Alltag dazu.

Hohe Ansprüche für einen möglichen Nachfolger. Zu Auswahl standen derselbe Focus als Facelift, mit dem Nachfolgemotor. Ford hatte sich wegen der GM- Beteiligung bei PSA von denen getrennt. Der neue ist zwar der alte, aber rechtlich und Lizens technisch wurden ein paar Kubikzentimeter weggerechnet. Also der 1,5 TDCI mit 120PS/300Nm und diesmal Lederausstattung, oder der 2 Liter TDCI mit 150PS/370Nm oder der 2 Liter TDCI mit 185PS/ 400Nm – seit dem Facelift bekanntlich der ST als Diesel analog dem VW Golf GTD.

Der 150PS schied schnell aus der Auswahl aus. Der 1,5 TDCI nach langem hin und her auch – ob das eine gute Entscheidung war, wird sich erst zeigen. Der 1,6 TDCI war zu gut.

Letztendlich wurde es der Ford Focus Turnier ST Diesel, auch weil das Angebot sehr verlockend war und verbrauchstechnisch das Downsizing sich nicht wirklich gelohnt hat. Zumindest wird jetzt versucht, den Gegenbeweis anzutreten.

Die Leasingrückläufer gehen nicht mehr an Ford zurück, sondern bleiben beim Händler und er hat offensichtlich in drei Jahren schon Kunden für unseren ST im Sinn. Er weiß, was er von uns zurück bekommt. Interessant zu erfahren…

Schauen wir mal…

Über den Focus ST Diesel gibt es kaum Vernünftiges an Testberichten. Fast alle Berichte sind über den 250PS Benziner. Von den 10 Videos auf YT sind 8x Motorpresseblahblah oder in unverständlichen Sprachen. Nur das Video von AutomannTV war einigermaßen aussagekräftig und ein englisches Video von carfaction.

Also eine ziemliche Blackbox bezüglich Motorbetriebs.

Und gerade der war der Auslöser für eine Veränderung. Ein 8 Ventiler Langhuber vs. den 16V fast Quadrathuber.

Verbrauchstechnisch war der 1560cm³ Diesel eher eine Enttäuschung. 5,5Liter/ 100km über die 2,5 Jahre im Alltagsbetrieb waren mehr wie erwartet. Allerdings lief er auch deutlich besser wie erwartet. Fast jeder hielt ihn für einen 2 Liter Motor, wenn er mit fuhr.

Der 1997cm³ 2 Liter in den kleineren Leistungsstufen genehmigt sich 6,5 -7,5Liter. Da meine bessere Hälfte sehr verbrauchsorientiert ist und den Wagen oft fahren wird, bin ich mal gespannt, wo sie landet.

Ich kenne den 2 Liter PSA Diesel nur …von PSA und Volvo. Bei Citroen ist der 2,0 HDI eigentlich bulletproof. Selbst lang überzogene Kundendienste schluckt er erstaunlich gut. Und eine Probefahrt in einem Citroen C5 II mit dem 167PS HDI war sehr eindrucksvoll. Der Motor war sehr antrittsstark. Besser als der vermeintlich stärkere 2,2 Liter 185/200PS aus dem S-Max, der eher wie ein großer 3 Liter agiert.

Der 2 Liter16V Grauguss Block ist kein Leichtgewicht. Leider weiß ich aus Volvo Zeiten, dass der 2 Liter Dieselblock auch einer der schwersten Motoren auf dem Markt ist. Das wird sich im Grundaufbau vermutlich über die Entwicklungsstufen nicht geändert haben. Das Gewicht des ST Motors mit Nebenaggregaten suche ich noch. Findet sich relativ wenig im Netz.

Gut, der Motor war damit bestimmt. Damit auch die Ausstattungsvariante ST.

Was mir persönlich schon abgrundtief zuwider ist, ist das Suhlen in der Ausstattungsliste jeglicher Automobilhersteller. Mir graute schon monatelang davor. Und Ford hat da viele schlechte Europäische Angewohnheiten angenommen. Beim Titanium Rentner Paket war es einfach. Xenon einzeln dazu bestellen und man hatte schon fast alles, was man so braucht.

Der ST ist grundsätzlich richtig mies ausgestattet, gemessen an seinem Grand Tourismo Status. Und mit einer ellenlangen Ausstattungsliste und stolzer Bepreisung.

Analog der Ford Focus Sport Edition mit viel Kriegsbemalung und Schnickschnack und wenig sinnvollen Features.

Insofern war diesmal richtig Paketverwaltung notwendig. Bei meinen individuellen Vorlieben komme ich mit dem Einzelbausteinen schneller und vor allem günstiger ans Ziel. Trotzdem habe ich mich bei dem ganzen Paketauswählen doch noch verarschen lassen. Doch dazu später.

Also am 30.3. 2106 das Paket zusammengestellt und eingeloggt. Lieferzeit: Irgendwann…. ^^ !!!

Gut in der heutigen Zeit darf ein Auto ohne besonderen Firlefanz individuell zusammengestellt und in Deutschland produziert, nicht länger wie 8-10 Wochen dauern.

Ich habe dann nach 6 Wochen einmal angefangen, etwas rum zu nerven und wurde auf „Hoffentlich vor den Werksferien“ vertröstet

Um dann in der Woche darauf mit dem Kommentar, wir haben ihnen letzte Woche auf das Band gesprochen. „Der Wagen kommt spätestens nächste Woche!“ überrascht zu werden. Wo auch immer die Ansage schlummert, er möge sich bei mir melden  😀

Es hat dann immer noch 14 Tage gedauert. Aber nach insgesamt 8 Wochen war der ST dann wirklich schon da! Respekt! Den „viel Lärm um nix“ davor vergesse ich dafür.

Also Samstag, 4.6.2016 ist es soweit. Mit Kennzeichen „gebrandet“ stand er in den wenigen Minuten Sonnenschein der aktuellen Wetterkapriolen vor dem Autohaus zur Übergabe bereit in slate Grau – oder auf deutsch: Mausgrau! 😉

Mit dem Facelift „Aston-Martin Grill“ und der runter gezogenen Schnauze richtig böse, wie meine bessere Hälfte meinte. Ich dachte mehr:“ …und in Zukunft immer mit Licht, graue Mäuse übersieht man gern!“

Ich bin mehr der technikverliebte Ingenieur und war eigentlich eher auf die ersten Meter Fahrt gespannt.

Die bessere Hälfte wollte freiwillig lieber den ollen Schwedenelch heim eskortieren und ich durfte unseren neuen Darth „Vadder“ in Betrieb nehmen. Übrigens mit 12 Kilometer auf der Uhr, was in letzter Zeit immer für Diskussionen gesorgt hat. Ich denke 12 Km sind normal.

Nachdem sich die ersten Adrenalinschübe gelegt haben (die ich zumindest immer bei einem neuen Wagen habe- egal wie mächtig oder nicht) fängt man an, auf alles zu achten.

Der Klang ist und bleibt Diesel – wer was anderes erzählt wegen ST Abgasanlage oder so, der lügt. Aber der Klang hat durchaus den Touch einer rauchigen, versoffenen Whiskeystimme. Hat auch was. Die Benziner ST Anlage tut ihren Teil dazu, dass er beim Anlassen oder kurzen Gasstößen einen drachenartigen Faucher ausstößt. Kannte ich von Autos so noch nicht. 😉

Das Fahrwerk ist sehr gut, wie bei sportlichen Ford nicht anders zu erwarten war. Fast wie bei meinem RS, als er noch neu war. Hoffentlich setzen sich die Federn nicht auch so unsportlich in den Zustand „bretthart“ wie beim RS!

Jedenfalls beim ST neu nicht unkomfortabel, aber man weiß immer, man fährt ein sportliches Auto. Satte Straßen- und schöne Kurvenlage. Fast wie ein großes Kart. Allerdings drückt das Gewicht merklich unsportlich nach. Ein realer Wert auf der BayWa Waage steht noch aus. Ich bin mir aber sicher, das sind 100kg mehr auf der Waage, wie beim RS oder beim Titanium, die beide mit 1450kg zugeschlagen haben. Und der RS hatte den Wert aus den Papieren gehalten. Der Titanium war 70kg schwerer als angegeben. Ich denke auch beim ST Diesel fordert der schwere Dieselmotor auf der Vorderachse Tribut.

Leistung? Ja hat er. Wie viel wird sich zeigen. Schaltfaul fahren kann man sich auf jeden Fall abschminken. Der 1,6D fuhr über die Landstrassen und Dörfer souveräner. Mit dem kleineren Turbo war auch schneller Druck da. Aus der Ortschaft raus im 6ten Gang ging mit den 270Nm des kleinen 1,6er 8V Langhuber Diesel besser als mit dem 2 Liter 16V Quadrathubermotor – 70PS hin oder her. Man merkt den großen Turbo und die langen Gänge des ST. Gang rühren wird eine sportliche Disziplin des Fahrers. Vielleicht wäre das DKG da eine Option gewesen. Ich hoffe er spielt auf der Autobahn seine Vorteile aus, sonst war der Aufwand/ Mehrpreis des ST Erwerbs umsonst.

Das Drehmoment ist mächtig. Es führt dazu, dass man im Bereich 80-120km/h eigentlich immer zu schnell ist, weil man nicht merkt, wie schnell man den Speed erreicht.

Mit einer Leichtigkeit, ohne dass sich die Drehzahl merklich verändert. Dazu kommen zwei Nachteile der Ausstattung: Der Tacho ist wie bei allen modernen Autos ein Blender! 100km/h auf 12 Uhr und 280km/h auf 17Uhr! Also eine progressive Anzeige, die nichts zu einer sinnvollen Information beiträgt. Lächerlich! Aber man wird sich daran gewöhnen. Vorerst heißt es höllisch aufzupassen.

Allerdings kommt bei uns erschwerend dazu, dass man sich im Paketwald verlaufen hat und die Geschwindigkeitsregelanlage übersehen hat, zu ordern. Ein Grand Tourismo ohne Geschwindigkeitsregelanlage serienmäßig! Ein Unding! Geht gar nicht. Ich hoffe, es lässt sich nachrüsten. Wie gesagt, ein ST von der Stange ist quasi leer. Kein Xenon, kein Infotainment, kein BT, nichts, was den Alltag erleichtert. Nada – nichts!

Und wenn wir schon bei den inneren Werten sind. Ein Tachoblatt bei einem ST ist in weiß zu halten und nichts anderes. Es ist beschämend, wie das Blatt aussieht! Lang ist es her mit den ST220….

Dann mein Waterloo schlecht hin ist immer das Infotainment. Manch einer mag sich darin suhlen bis zur letzten App. Ich dachte jedenfalls, wir hätten Sync2 geordert. Gesprochen hatte man darüber stundenlang. In der Bestellung war jedenfalls nur Sync1 mit dem 10,6cm Bildschirm notiert. Und keiner hat es gemerkt. Fiel mir auch beim ersten Fahren gar nicht so auf, weil wir das kleine Display beim Titanium genauso hatten. Aber dann, heute bei der ersten Ausfahrt, schwante mir schon etwas. Ich kann es verschmerzen, ich bin mir aber sicher, es ging immer um Sync2. Anyway. Da wunschgemäß kein Navi an Bord, auch kein Stressthema. Mir sind eigentlich immer zuviele Informationen im Blickfeld.

Ich fand auch das alte Sonyradio mit den vielen Knöpfen deutlich schöner und die Oberfläche der Mittelkonsole deutlich höherwertig, als die neue in üblem Hartplastik gehaltenen. Von Knöpfen flurbereinigt, aber abgrundtief hässlich. Und das über alle Ausstattungslinien gleich. Schwarzes Plastik! Ekliger geht es nicht. Der Aftermarket schreit nach Oberflächenveredelung! Was erlaube Ford! 😉

Damit wären die beiden Pleiten bei der Buchung schon gebeichtet. Sync2 und Geschwindigkeitsregelanlage. Ich bin mir sicher, der Hebel lässt sich nachträglich anbauen und ein Klick in der Elektronik bringt das erhoffte Feature. Beim RS MKII war es nie erhältlich, obwohl Volvo bei seinen Motoren das immer angeboten hat. Naja…andere Baustelle. Gleiche Firma…

Die erste Ausfahrt auf meiner kleinen Allgäuer Teststrecke (Kimratshofen – Kürnachtal – Kreuztal und back) offenbart allerlei Schwächen und Stärken eines Autos.

Der ST gehört, auch für einen RS verwöhnten Fahrer, zu einem großen Erlebnis.

Zwar nicht mit der brachialen Gewalt eines RS und auch mit etwas mehr Hüftspeck versehen, ist der ST Diesel kein Asthmatiker auf sportlichen Landpartien.

Ich gebe zu, ich habe dem Motor nicht viel zugetraut, wegen dem schmalen Drehzahlband und dem vermeintlich unausgewogenen Drehmomentberg und den vergleichsweise relativ wenig Pferden dazu. Das Fahrerlebnis der ersten 150km zeigt sich aber sehr positiv.

Solange die Fuhre im Schwung bleibt und rollt, ist man mit dem Rühren zwischen den Gangstufen 3 bis 5 recht sportlich unterwegs. Da muss sich alles andere auf der engen Landstrasse lang machen, um dabei zu bleiben. Leichte Beute ist man da bestimmt nicht mehr. Wenn es allerdings ums Anbremsen, enge Kehren mit Anstieg und aus dem Drehzahlkeller geht, dann ist das nicht das ST Diesel Metier. Wo der RS Turbobenziner aus 1500U/min sein komplettes Drehzahlband bis zur nächsten Kehre ausspielt, da ist man mit sinnfreiem Rühren im Getriebe des Diesel ST beschäftigt. Da sind die Drehmomentberge mit dem schmalen Drehzahlband maximal unpraktisch. Da hat die Sportlichkeit seine Grenzen.

Aber es machte insgesamt schon richtig Laune. Das Fahrerlebnis entspricht einem echten GT.

Womit wir zur Gretchenfrage kommen, darf sich ein Diesel ST als solcher bezeichnen?

Die Antwort gibt zum einen die Konkurrenz mit dem GTI/ GTD als Verkaufsschlager.

Und JA! Darf er. Er ist ein Grand Tourismo für sportliches Reisen auf lange Strecken. Und genau das kann er bestimmt.

Auch ohne, dass ich ihn auf der Autobahn getestet habe. Das behalte ich mir vor, wenn etwas mehr Kilometer auf der Uhr sind.

Es haben heute schon manche Bauteile mit Geruch von etwas sportiverer Gangart gezeugt. Dabei wollen wir es bei der ersten Ausfahrt belassen… 😉

Und trotzdem trauern wir etwas um unser rotes Feuerwehrauto, welches uns knappe drei Jahre hervorragende Dienste geleistet hat. Ich hoffe er bekommt einen guten Zweitbesitzer.

Waage und Autobahn wird nachgeliefert, wenn sie vollzogen sind.

Bis dahin Gute Fahrt!


Themen: Allgemein, Tuning

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