Wir wollen Le Mans verteidigen – Interview mit Dirk Müller

von Kowalski | am 15 Mai 2017

Der 41-jährige Ford GT-Werksfahrer Dirk Müller aus Burbach im Siegerland markierte erste Höhepunkte seiner Karriere bereits 1996 als Gewinner eines Formel-3-Rennes auf dem Nürburgring. Seit 2016 fährt Dirk Müller für Ford Chip Ganassi Racing und stellt zusammen mit Stefan Mücke die beiden deutschen Rennfahrer des Teams.

Herr Müller, die aktuelle Saison läuft sehr gut. Ihr Terminkalender ist gefüllt. Sie tauschen immer häufiger das heimische Wohnzimmer mit den Rennstrecken dieser Welt. Wie halten Sie Kontakt mit Ihrer jungen Familie?

Ich bin in der Tat viel unterwegs mit dem Ford Chip Ganassi Racing Programm. Wir sind sehr fokussiert unser hohes Niveau zu halten. Das erfordert natürlich auch zeitaufwändige Arbeit. Arbeit, die sich andererseits auszahlt, wie der Sieg in Daytona und der zweite Platz in Sebring gezeigt haben. Daneben absolvierte ich gerade den offiziellen Pressetermin für die Ford GT Straßenversion. Das macht mir natürlich alles sehr viel Spaß, kostet aber auch Zeit. Meine Familie, die mir als Familienmensch sehr wichtig ist, sehe ich in diesen Zeiten über FaceTime oder nehme meine Mädels einfach mit, wie letztens nach Long Beach.

Fitness für Motorsportler, die teils sehr lange hinter dem Lenkrad eines Rennwagens sitzen ist sehr wichtig. Womit halten sie ihren Körper auf Kurs?

Körperliche Fitness und gesunde Ernährung waren für mich schon immer existentiell. Mir macht es einfach Spaß täglich mit dem Hund zusammen 10 bis 11 Kilometer zu joggen. Das ist auch gleichzeitig Kontrastprogramm zu meinem sehr arbeitsintensiven Berufsleben. Daneben zusätzlich die üblichen Kraft-Workouts. Der Körper wird in den Rennen sehr harten Anforderungen ausgesetzt. In Daytona saß ich fast vier Stunden während eines Stints ununterbrochen und fast 11 Stunden insgesamt im Auto. Das hält kein Mensch ohne Training aus. Ebenso wichtig ist mentales Training, um die Rennen konzentriert angehen zu können.

Sie sind in ihrem bisherigen Rennfahrerleben schon mit Ferrari, Porsche und vor allem im BMW unterwegs gewesen. Bei welcher Gelegenheit sind Sie auf den Ford GT aufmerksam geworden?

Die Vorstellung des Ford GT in Le Mans 2015, mit dem Ziel ein Jahr später dort an dem historischen Sieg von 1966 anknüpfen zu wollen, hat mich schlicht mitgerissen. In genau diesem Auto wollte ich sitzen und für einen erneuten Sieg kämpfen. Die Kombination von Ford Performance, Chip Ganassi Racing, Roush Yates und Multimatic, die gemeinsam in eine Richtung für ein gemeinsames Ziel arbeiten, ist ein Wahnsinnsprogramm. Es macht mich sehr stolz dabei sein zu dürfen, um mit diesen Profis Renngeschichte zu schreiben.

Der Ford GT gilt im Motorsportzirkus als echte Wundertüte. Kaum ein anderes Auto im Wettbewerb ist so radikal auf Performance getrimmt und doch sitzen Ihnen die übrigen Mitbewerber teils knapp im Nacken. Wird es für Sie als Fahrer langsam anstrengend oder hat der Ford GT noch Luft nach oben?

Ich würde den Ford GT jetzt nicht als Wundertüte bezeichnen. Der Ford GT ist ein extrem effizientes Rennauto mit seinem EcoBoost-Motor und seiner ausgeklügelten Aerodynamik. Das Auto wurde mit einem einzigen Ziel konstruiert – in Autorennen zu siegen. Der Ford GT ist von den Genen her ein reinrassiger Rennwagen. Die Straßenausführung des Ford GT ist daher auch extrem nah an der Wettbewerbsversion. Das ist so in dieser Form einzigartig. Zusätzlich sorgt die BoP (Balance of Performance – ein Regelwerk um alle Teilnehmer dicht beieinander zu halten*) für Chancengleichheit. Das Auto befindet sich demnach in einem dynamischen Prozess bezüglich zukünftiger Entwicklungsstufen, stets angepasst an die BoP. In seiner Rennklasse ist der Ford GT aber klar der Taktgeber.

Le Mans hat bei allen Motorsport-Enthusiasten einen ganz besonderen Klang. Was bedeutete für Sie der Sieg mit dem Ford GT in 2016 auf dieser historischen Rennstrecke?

Le Mans war für mich im letzten Jahr das absolute Highlight. Schon während der Vorläufe war klar, dass wir eine der ersten Geigen spielten. Ein Großteil der Ford-Familie war anwesend. Ford wollte ein weiteres Kapitel Motorsportgeschichte schreiben. Das Publikum hatte ebenfalls hohe Erwartungen und feuerte uns begeistert an. Damit standen alle Beteiligten natürlich auch unter Druck, den historischen Sieg von 1966 zum 50ten Jubiläum zu wiederholen. Es war mir eine Ehre von der Pole Position aus zu starten. Obwohl die ersten Kilometer durch den starken Regen zu Anfangs sehr kniffelig waren konnte ich zum Ende des spannenden Rennens das Auto dann aber als erster über die Ziellinie fahren. Dieser Moment war extrem emotional und verursacht auch heute noch Goosebumps auf meiner Haut. Ich freue mich daher ganz besonders auf das Rennen in Le Mans in ein paar Wochen.

Nach der Debüt-Saison 2016 hat das Ganassi-Team mittlerweile wertvolle Erfahrungen auf allen Rennstrecken sammeln können. Wie begegnen Sie der starken Konkurrenz in diesem Jahr?

Wir haben in den Wintermonaten unsere Erfahrungen aus der Saison 2016 verarbeitet und uns ehrgeizig vorbereitet. Das konnte man auch schon in Daytona sehen; im Vergleich zum letzten Jahr. Die Mannschaft funktioniert ganz hervorragend. Joey, Sebastian und ich bilden im Cockpit eine Einheit. In der letzten Phase des Rennens in Daytona war es wirklich super eng. Hinter uns machte die Konkurrenz Druck, aber gerade dann macht es Spaß zu zeigen was man drauf hat. So war das gewonnene Rennen die verdiente Belohnung nach harter Arbeit, für alle im Team. Das alles bauen wir weiter aus. Mein Ingenieur John Hennek und unser Teamchef Mike O`Gara arbeiten vor allem daran, beide Autos für unser Ziel zu optimieren. Wir wollen gewinnen.

Porsche fährt den neuen 911er RSR mit einem eher kleineren Saugmotor und bietet den Turbos bisher absolut die Stirn. In welchem Bereich halten Sie den Turbo EcoBoost V6 im Ford GT für unschlagbar?

Ganz klar im Bereich der Effizienz. Das hoch professionelle Roush Yates Team stellt uns eine fantastische EcoBoost-Maschine zur Verfügung, die uns noch hohes Potenzial bietet. Wir werden durch die BoP im Bereich des Ladedrucks zwar heftig eingebremst aber Roush Yates hat noch eine Reihe Stellschrauben um beispielsweise den Treibstoffverbrauch weiter zu senken. Zusätzlich wird der Fokus der Motoringenieure auf die Fahrbarkeit des Triebwerks gerichtet. In diesen Bereichen halten wir uns gegenüber den Mitbewerbern für sehr konkurrenzfähig.

Unsere Leser möchten gerne mehr über die Kraftverteilung des Ford GT erfahren. Was für eine Art Getriebe kommt in der Rennversion zum Einsatz?

Anders als in der Straßenversion, in der ein sehr schnelles 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe eingesetzt wird, fahren wir mit einem sequenziellen 6-Gang-Renngetriebe. Mit diesem Getriebe realisieren wir extrem schnelle Schaltvorgänge über Schaltwippen am Lenkrad. Die Gangräder sind homologiert. Wir haben verschiedene Gangräder zur Auswahl, wobei vor der Saison eine Auswahl getroffen wird. Spätere Veränderungen an dieser Auswahl sind während der Saison nicht mehr möglich. 

Erlaubt das Reglement Veränderungen im Bereich von Ladedruck- oder Fahrwerkseinstellungen während des Rennes oder wird nach finalem Setting gefahren, welches nicht mehr verändert werden darf?

Der Ladedruck des Turbos wird final vor dem Rennwochenende über die BoP in einem sogenannten BoostTable vorgegeben und zwar für alle Gänge und Drehzahlbereiche. Spätere Veränderungen, insbesondere während des Rennens sind nicht erlaubt. Während der direkten Vorbereitungen zum Rennen werden Setup-Arbeiten vorgenommen wie beispielsweise: Spur, Sturz, Nachlauf, Reifendruck, Fahrwerkseinstellungen, Flügel- und Fahrhöhen. Solche Setups werden falls nötig noch bis zum Rennen justiert. Während des Rennens werden Daten aus dem Auto zum Team übertragen. Der umgekehrte Weg ist nicht erlaubt.

Abseits der Rennen bewegen Sie einen Focus RS. Mal wieder Bock auf einen großen Sauger wie im Mustang GT oder GT350?

In der Tat fahre ich den Ford Focus RS als Dienstauto und bin mit dem Auto wirklich extrem happy. Ich bin in der glücklichen Situation über meinen Arbeitgeber auch mal einen Mustang 5.0-V8 fahren zu dürfen aber der Focus RS macht mich schon sehr glücklich.

Gestatten Sie uns bitte einen Blick auf Ihre motorsportliche Zukunft. Welche Ziele liegen in ihrem direkten Fokus?

Der Fokus ist glasklar. Wir wollen in diesem Jahr die IMSA mit dem Ford GT gewinnen und selbstverständlich Le Mans verteidigen. Das sind sehr hoch gesteckte Ziele aber das komplette Team und wir als Fahrer arbeiten weiterhin jeden Tag sehr hart dafür.

Wir danken Ihnen für die detaillierte Beantwortung unserer Fragen. Gleichzeitig wünschen Ihnen mit dem Ford GT noch viel Erfolg auf den internationalen Rennstrecken und allzeit unfallfreie Rennen.

*Anmerkung der Redaktion


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