Im Augenblick bin ich damit beschäftigt die Mustang-Historie immer wieder komplett zu wälzen. Sobald ein wenig Zeit bleibt, dem momentanen Hype um den neuen Mustang 2018 zu entkommen, tauche ich ab. Dabei interessiert mich vor allem, wo ich den neuen Mustang einordnen soll. Ist er nur ein Schnellschuss um die Verkaufszahlen zu retten – der Verkauf des S550 ist im Vergleich zu 2016 um mehr als 30% gesunken – oder eine schon bereits notwendige, technologische Weiterentwicklung?
Ford will uns das Facelift als dynamischer, kraftvoller und aggressiver verkaufen. Das Auto ist vorne deutlich niedriger, geduckter als sein direkter Vorgänger. Zeitgeist? Nein, eher eine neue gesetzliche Vorgabe wenn wir wissen, dass die deutliche flachere und glattere Haube dem Fußgängerschutz geschuldet ist. Zugegeben, dieses Ziel ist mit einer ansprechenden Front erreicht worden. Dazu dann noch Designelemente des Ford GT und fertig ist das neue Gesicht. Nur ist der Ford GT ein reinrassiger Supersportwagen und kein Sportcoupé. Letzteres darf ein eigenes Gesicht haben und seine Nase etwas stolzer im Wind tragen. Der noch in der Restwelt aktuelle Mustang durfte das, wenn auch ohne die herrlich sportlichen Lufteinlässe auf der Haube. Die sind nun erlaubt, wenn auch nicht so verschärft ausgeführt. Das Tagfahrlicht ist auch nicht länger Fake. Ein Trostbonbon für die ansonsten glattgelutschte Front? Nein, es gibt ja noch die vierflutige, elektronische Abgasanlage mit Soundprofil und ein paar kantigere Rückleuchten.
Die vierflutige Abgasanlage wirkt dabei auf mich wie die Stromlinienverkleidung einer Dampflokomotive. Bevor solche vom Aussterben bedrohten Dinosaurier gänzlich wegevolutioniert wurden, schnell noch einmal volles Rohr.
Das Interieur wurde glücklicherweise nicht verändert. Einzig der LED-Super-Wundertüten-Schirm, State-of-the-Art-Gadget aller Spielautos, hielt nun auch im Mustang Einzug. Information ist alles. „In welchem Gang segle ich denn gerade? Im 3ten oder war es der 7te, hatten wir die neun schon durch? Upps, ne 10, geil!“
Ja, damit wären wir auch schon bei der 10-Gang-Automatik (Gemeinschaftsentwicklung Ford/GM). Diese Option der Kraftübertragung im neuen Mustang 2018, dürfte so manchen Mustang-Enthusiasten vor existenziellen Entscheidungsproblemen stellen. Was will ich? Einen Mustang fahren in Reinkultur, das Auto spüren, hören und mit einer sehr männlichen Armbewegung schalten? Vielleicht will ich mich aber auch schon heute auf die Elektrifizierung des Mustangs einstellen. Gut, dann greife ich zur Automatik und klebe die völlig überflüssigen Schaltwippen ab. Das der Automat schneller beschleunigt als das ganz fantastische 6-Gang-Schaltgetriebe ist mir dabei weniger wichtig. Ein guter E-Golf wird mich eh in ein, zwei Jahren an der Stadtampel versenken, ohne Getriebe. Evolution halt.
Im Manager Board von Ford gibt es aber immer noch echte Mustang-Fans. Das erleben wir, wenn es um die Motorisierung des Mustangs geht. Der fast göttliche Coyote erhielt in der Gen3 eine nicht zu verachtende Leistungskur. Jetzt als Direkteinspritzer bekam er trotz Erfüllung aktuell weiter verschärfter Umweltauflagen ein Leistungsplus von 30 PS spendiert. Hochsensible Antennen sportlich orientierter Mustang-Fahrer werden diese Erstarkung sicherlich sofort auf der Straße registrieren.
Jetzt erinnere ich mich gerade an den Aufschrei der Mustanggemeinde als im Dezember 2013 der S550 in Barcelona vorgestellt wurde. „Kein Mustang mehr – kein Alleinstellungsmerkmal im Ford Portfolio – gleiches Gesicht wie Fusion/Mondeo” und viele andere teils aber auch schwer nachvollziehbare Statements. Die Gen5 war 2005 ein absolut gekonnter Schritt in ein sehr gelungenes, damals schwer angesagtes Retrodesign. Noch heute kann ich manche enttäuschten Gesichter verstehen. Der S550 wurde dann als ein komplett neues Auto geboren. Das musste man begreifen. Meine Begeisterung für das neue Design des S550 und seine echte Konkurrenzfähigkeit zu seinen europäischen Mitbewerbern war damals deutlich stärker als alle Buhrufe.
Wichtig für Ford und sehr wichtig für den Fortbestand der Mustang-Herde. Wie damals der Fox übrigens aber lassen wir das an dieser Stelle.
Ein neues Auto ist der Mustang 2018 daher nicht. Er mag gefallen oder auch nicht. Er wird kurzzeitig die Verkaufszahlen weiter knapp vor dem Camaro halten. Er wird deutlich teurer werden. Die EU-Version ist hoffentlich ähnlich komplett ausgestattet wie die aktuelle Version und wir dürfen auf das Performance Package II hoffen. Ein Meilenstein ist der 2018er leider nicht geworden. Eher eine Vorbereitung auf einen gänzlich neuen Mustang, der hoffentlich nicht seinen Spirit verliert. Das wäre meine leichte Befürchtung im Hinblick auf die Vorgaben des Konzerns sowie der Umwelt- und Verkehrssicherheitspolitik.
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