In der Regel fühlt sich Elmar Rudolf eher in sportlichen Automobilen wirklich wohl. Für schnell gefahrene Bergpässe steht ihm daher ein Focus RS MkII zur Verfügung. Auf längeren Strecken darf es aber auch ein sportlicher Selbstzünder sein, wie der Familien Focus ST Diesel. Im folgenden Bericht testet Elmar für uns den Focus Turnier mit dem Hamstertaschenturbo. (1.0-Liter, 3 Zylinder EcoBoost)
8 Grad Minus, dicker Raureif auf den Scheiben und zäher Nebel in der Luft. Im Oberallgäu schien eben noch die Sonne. Im Unterland ist alles anders. Raus aus den warmen Sitzen in die eklige Morgenstimmung. Den eigenen Wagen für einen Garantiefall in der Werkstatt abgegeben. Zugegeben, es gibt schönere Umstände, sein Auto gegen einen Leihwagen zu tauschen, aber manchmal muss es sein. Wenn dann der Autohändler durch Zufall mir genau den Wagen hinstellt, den ich gern mal testen wollte, bin wieder hell wach.
Ich persönlich halte den 1 Liter Ecoboost von Ford schon seit Erscheinen für einen der interessantesten neuen Motoren auf dem Markt. Ein unscheinbares „Brot und Butter Aggregat“ mit sehr viel (Leistungs-)Potential. Es gibt immer wieder so herausragende Motoren bei einzelnen Herstellern, die dann eine lange Serie an Evolutionen oder neudeutsch Updates nach sich ziehen. Bei dem Motor bin ich mir fast sicher, dass es auch so kommen wird. Immerhin wird er ab Werk mit 140PS und auf dem seriösen Tunermarkt mit ungefähr 170PS angeboten. Die ersten Aftermarkt Bauteile tummeln sich auch schon herum wie Ladeluftkühler und größerer Turbo. Bei englischen Tunern wird der Motor nicht ganz TÜV konform auch schon bis 215PS/250Nm Leistungsstufen angeboten.
Und wie schlägt er sich in einem Ford Focus Turnier verbaut? Eigentlich ist das kein kleiner Wagen mehr und dazu mit reichlich Ladekapazität. Eine riesen Überraschung ist es nun nicht mehr, nachdem genau diese Kombination den besten 100.000km Test absolviert hat, der bei AutoBild bis dahin dokumentiert wurde. Also positive technische Bestätigung ist vorhanden. https://www.youtube.com/watch?v=0dbeTaKpdLs
Und subjektiv. Der Testwagen ist ein Focus Turnier Facelift Titanium mit 16.000km auf der Uhr. Firmenwagen, also bestimmt nicht geschont oder verhätschelt worden. Wie bei Brot und Buttermotoren per Definition werden die i.d.R. getreten bis der Arzt kommt. Wir halten fest: 6,9Liter Durchschnittsverbrauch im Display bei Übergabe.
Der Raureif hängt sehr zäh auf den Scheiben. Ich freu mich, dass der Focus beheizbare Frontscheibe hat. Selbst das Kratzen geht dann schnell und ohne Kraftaufwand.
Der Motor läuft so leise im Vergleich zu unserem ST Diesel, dass ich zweimal auf den Drehzahlmesser schaue. Läuft sehr ruhig. Wirklich, trotz Minus 8 Grad und Kaltstart und alle Zuheizer in Betrieb.
Als nächstes fallen mir (wieder mal) die Ledersitze der Titanium Ausstattung sehr positiv auf. Kein Vergleich zu den unsäglichen Recaro Sportsitzen im ST oder den besseren Stoff Sitzen der Titanium Ausstattung. Die Vollleder sind die besten Focus Sitze (außer den Recaro Vollschalen)! Sehr angenehm und unauffällig. So muss ein Sitz sein.
Los geht es. Ich beschließe über Land heim zufahren und nicht über die Autobahn. Da hängt der Nebel und über Land geht es nach wenigen Kilometern wieder in die frostige Sonne.
Erst lenkt noch das Infotainment und die ganzen Assistenten ab. Sync2 reagiert bei Minusgraden kaum und die Assistenten nerven (mich zumindest) kollossal! Totwinkel, Verkehrszeigenerkennung und später dann in der Nacht der Fernlichtassistent! Sorry Ford – ein no go!
Ich bin ganz froh den SchickSchnack beim ST wiedermal bewusst abgewählt zu haben. Es dauert eine Weile, bis ich alles abgewürgt bekomme.
Endlich auf den Motor konzentrieren! Erster Eindruck – der zieht aber wacker an. Gerade im Stadtverkehr oder über Land macht er richtig Laune. Man fühlt sich immer ausreichend gut motorisiert. Ortsausfahrt mit 50km/h und darauf folgender Steigung mit 18% – ein Berg an dem ich mit dem Rad verzweifle, weil immer steiler werdend, und mancher VW T3 Diesel und ähnliche untermotorisierte KFZ gescheitert sind, zieht der 1.0Liter EcoBoost wacker ohne Stress hoch und hat noch Reserven. Respekt an Herrn Alfred Büchi!
Man ist aber auch immer 10-20km/h langsamer, als einem die „Soundkulisse“ vorgaukelt. Genau anders als beim ST, wo man gern seit 10-20km/h seinen Führerschein riskiert.
Und „Soundkulisse“ hab ich absichtlich gewählt, weil kein Lärm und keine gequälten Geräusche aus dem Bereich unter der Motorhaube entweichen, sondern durchaus ungerader Zylinderklang, mit dem ein Fünfzylinderfan im Alltag ganz gut leben kann.
Und noch etwas fällt sehr schnell auf. Der Focus muss sehr leicht sein. Der fährt und bremst sich sowas von locker und easy im Vergleich zum ST Diesel (+-1700kg) und seinem Vorgänger mit dem 1,6Liter Diesel (1470kg), dass ich spontan auf die nächste BayWa Waage fahre und das Gewicht in Pixeln festhalte. Ich musste schon zweimal hin sehen, dass ich es geglaubt habe: 1390Kg glatt.
Die Waage ist geeicht und auf +-5Kg genau. Das ist sehr wenig für fast volle Hütte mit Titanium Ausführung. Und ein Turboaggregat mit allen Anbauteilen. Mit 1306Kg wird er angegeben. Das könnte passen.
Die 30 km Heimweg waren sehr unterhaltsam im positiven Sinn.
Der Ford Focus Turnier selber ist ja bekannt, da muss nicht so viel neu erzählt werden.
Abends stand dann noch eine Nachtfahrt auf der Autobahn an. Bis zur Autobahn wäre ich fast Amok im Auto gelaufen, weil der Fernlichtassistent mich grandios genervt hat. Ein Auf- und Abgeblende immer zu spät oder zu früh und in einem Discorhytmus, wo die Scheinwerferbirnen im 10er Pack gekauft werden sollten. Weil lange machen die Birnen das nicht mit.
Wenn wir schon beim Licht sind. Die Kurzversion lautet: Xenon kaufen! Es lohnt sich. Sowas muss man sich heute nicht mehr antun. Vielleicht nicht schlecht, aber der Wagen ist auch noch neu. Nein nicht wirklich. Gelbes Funzellicht. Lichtkegel direkt vor dem Auto ohne Tiefenausleuchtung. Einfach nicht kaufen!
Alle Assistent tot – ab auf die Bahn. Titanium Ausstattung heißt was? Tempomat! Was es im ST NICHT in Serie gibt (Schande!). Was im Diesel ST schmerzlich vermisst wird, weil es im Bestellvorgang aus unerfindlichen Gründen verschwand und nicht nachgerüstet werden kann. Hier ist er wieder da.
Beschleunigungsspur macht Laune. Endlich mal wieder ein Auto, wo man das Pedal herzhaft ins Blech drücken kann und muss und ein Drehzahlband bis 6000 U/min zur Verfügung steht. Ohne Loch und Leistungsdelle und einem harten knatternden Drehzahlcut bei 6500 (bei 6000 sollte eigentlich Schluss sein!). In den Cut läuft man unweigerlich rein, weil der Motor so konstant übers Drehzahlband hoch dreht. Der würde auch gern weiter wollen, so der Eindruck. Andere Motoren kündigen Ihr Drehzahl Ende an, der nicht. Wie ein Elektromotor! Spannend. Gut Geschwindigkeit legt er nicht so zu, wie man von seinen leistungsstarken Brüdern gewohnt ist. Das 6 Ganggetriebe scheint aber auf den 125PS sehr gut abgestimmt zu sein. Das passt.
Und im Abendverkehr kann man damit recht gut mitschwimmen auf beiden Autobahnspuren. Geht prima. Wer kein Raser ist, kommt damit super klar. Auch Tempomat bei über 140 km/h geht wunderbar.
Auf der Rückfahrt leicht bergauf und gut beladen gab es dann noch den TopSpeed Test. 😉 Ok ich weiß nicht, wie der eingefahren wurde. Vielleicht geht auch noch was, wenn er mal länger unter meinem Fittich wäre, aber da war bei 170km/h wie festgenagelt Schluss. 190Km/h sollte er machen. Und die Autobahn hat dort wirklich eine Steigung, die bei wenig Leistung deutlich zuschlägt. Mehr gibt es mit vollem Auto an dem Abend nicht. Da war der 1,6 Liter TDCI Diesel etwas flotter mit 115PS/ 270Nm als die 125PS/170Nm beim Benziner.
Ein Wort zum Sync2 – Ruhe in Frieden! Welcome Sync3. Wer seit September 2016 ein Ford bestellt, hat i.d.R. Sync 3 on board oder ein Auto von der Halde. Navi und alles andere war nur nervig. Ich bin ganz froh, dass in unserem ST nur die Minimalversion (kleiner Bildschirm) verbaut ist. Und unser System klingt dann auch noch halbwegs im Radiobetrieb. Das Radio mit Sync2 im Testwagen hat mich nicht überzeugt. Den einzigen Sensor, den man wirklich gebrauchen kann, ist der Regensensor und die Einschaltautomatik für das Tag/ Abblendlicht. Und die hat ganz gut funktioniert. Genauso wie die Start Stopp Automatik. Das klappt mittlerweile überall sehr gut. Um Sprit zu sparen…. 😉
Kommen wir mal zum Hauptthema bei einem klassischen Downsizer Motor wie dem 3 Zylinder EcoBoost – dem Spritsparen.
Bei meinem Fahrstil hat sich der Durchschnittsverbrauch sogar etwas erhöht. Es war sehr kalt und viele Nebenaggregate liefen (Sitzheizung, Lenkradheizung, Frontscheibenheizung etc.), aber 7 Liter sind deutlich mehr als angegeben.
Irgendwas zwischen 4,2 und 5,8 Liter sollte er verbrauchen und im Schnitt knapp unter 5 Liter. Ich bin nicht blauäugig, aber in Zeiten von Dieselgate könnte ein Rechtsanwalt das auch mal genauer nehmen. Und 46% über der Durschnittsangabe ist dann reichlich daneben.
Und jenseits der Angabe? Ein Saugmotor mit der Leistung hatte 1,6 -1,8 Liter Hubraum vor weniger als 10 Jahren. Und verbrauchte eigentlich genau so viel mit deutlich weniger technischem Aufwand. Wo bleibt der Fortschritt? Gut der Turbo liefert mehr Komfort durch das Drehmoment. Aber bezüglich CO2 Emission und Verbrauch glänzt die Downsizing Idee hier wie überall anders nicht. Ein VW Polo 1,4 Liter 80PS Sauger Benziner wird mit 6,5 Liter gefahren. Alles etwas langsamer und ruhiger ohne Turbo, aber bei einem Alltagswagen zur Arbeit? Der versprochene Fortschritt samt dem höheren Preis hat das Konzept Downsizing wohl nirgendwo erfüllt.
Fazit:
Es bleibt ein angenehmer Eindruck von einem schönen, komfortablen Auto. Ich würde den Titanium etwas anders konfigurieren. Meine bessere Hälfte ist mit so einem komischen „will haben Lächeln“ um die Front gelaufen. Die gefällt Ihr auch noch sehr gut. Gut dass das der ST nicht gehört hat.
Und ich würde heute immer zum E-Automarkt schielen. Denn ob sich so ein Downsizer Konzept noch lange lohnt, wenn mal echte Verbräuche zur Besteuerung herangezogen werden und Umweltzonen daran neu strukturiert werden, halte ich für gewagte These.
Machs erstmal gut, du kleiner Ecoboost. Wir sehen uns bestimmt noch mal wieder.
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